Du fragst Dich, wie Du Deine Kommunikation möglichst inklusiv gestalten kannst? Du suchst nach dem sprachlich kleinsten gemeinsamen Nenner, um Deine Informationen allen Menschen zugänglich zu machen? Dann bist Du hier richtig. Denn Leichte Sprache ist eine besonders verständliche Form der Kommunikation. Sie hilft Texte so zu gestalten, dass sie für möglichst viele Menschen zugänglich sind. Die Regeln für diese Art der inklusiven Kommunikation erfährst Du jetzt.
Was ist Leichter Sprache?
Die Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Um niemanden von diesem Informationsaustausch auszuschließen, sollte Sprache möglichst inklusiv sein. Das heißt, Sprache sollte nicht exklusiv für einige Menschen, sondern inklusiv für alle Menschen gestaltet sein. Das entspricht dem Geist der Barrierefreiheit.
Leichte Sprache möchte komplexe Inhalte so vereinfachen, dass sie für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Sprachbarrieren zugänglich und damit verständlich werden. Das Ziel ist die barrierefreie Kommunikation durch eine gemeinsame Sprache. Davon noch grundsätzlich unterscheiden lassen sich die „Einfache Sprache“ und „Schwere Sprache“ beziehungsweise „Standardsprache“.
Geschichte und Entwicklung der Leichten Sprache
Leichte Sprache hat ihren Ursprung in den 1970er Jahren, als die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten stärker in den Fokus der Gesellschaft rückten. In Deutschland gibt es soweit mir bekannt erst seit knapp zwei Jahrzehnten Organisationen, die sich aktiv für die Förderung und den Gebrauch von Leichter Sprache einsetzen. Kennen solltest Du den “Netzwerk Leichte Sprache e. V.”.
Erfreulicherweise gibt es auch schon Organisationen, die sich wegen der positiven Entwicklungen auf dem Gebiet der Leichten Sprache wieder aufgelöst haben. Ganz nach dem Motto „Zweck erfüllt, Ziel erreicht“ hat sich die Deutsche Gesellschaft Leichte Sprache (DGLS) im Jahr 2023 aufgelöst.
Vorgaben zu Leichten Sprache
BITV 2.0 und WCAG
In Deutschland spielen verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle bei der Anwendung von Leichter Sprache. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) verpflichtet öffentliche Stellen, ihre Informationen auch in Leichter Sprache anzubieten. Konkret heißt es in der BITV 2.0
“Auf der Startseite einer Website einer öffentlichen Stelle sind […] Erläuterungen in […] Leichter Sprache bereitzustellen.”
In der für die digitale Barrierefreiheit sonst so wichtige WCAG ist die Leichte Sprache kein Thema. Zumindest nicht direkt. Indirekt finden sich in einzelnen Erfolgskriterien wie im Prinzip der Verständlichkeit jedoch Anforderungen wie die „Konsistente Bezeichnung“, welche Ideen der Leichten Sprache widerspiegelt.
UN-Behindertenrechtskonvetion
Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert einen Zugang zu Informationen in verständlicher Form für alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten. Deutschland hat diese Konvention im Jahr 2007 ratifiziert, sprich akzeptiert und sich damit zur Einhaltung verpflichtet. In Deutschland wird die Einhaltung von der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention am Deutschen Institut für Menschenrechte überwacht.
DIN SPEC Leichte Sprache 33429
Die DIN SPEC 33429 richtet sich an Personen, die an der Erstellung von Texten und Inhalten in Leichter Sprache beteiligt sind oder sich dafür interessieren. Es handelt sich bei dieser DIN SPEC um keine Norm wie Du es vermutlich kennst, wenn von der DIN-NORM gesprochen wird. Es ist vielmehr eine “Empfehlung für Deutsche Leichte Sprache”, die von einer Gruppe aus Expertinnen und Experten diverser Fachgebiete erarbeitet wurde. Solltest Du Dich also noch tiefer in die Materie Leichte Sprache einarbeiten wollen, ist die DIN SPEC 33429 eine sehr gute Orientierungshilfe.
Für wen ist Leichte Sprache weshalb wichtig?
Zunächst muss Du verstehen, dass sich Leichte Sprache für alle Menschen eignet. Sie kann und sollte als kleinster gemeinsamer Nenner für eine barrierefreie Kommunikation verstanden werden. Für einige Menschen ist Leichte Sprache aber keine Option sondern zwingend erforderlich. Nur so können einige Menschen überhaupt Informationen aufnehmen. Es geht also um Zugänglichkeit, um einen inklusiven weil barrierefreien Informationsaustausch. Zu den besonders darauf angewiesenen Menschen zählen typischerweise vor allem:
- Menschen mit Lernschwierigkeiten
- Personen, die nicht gut lesen können
- Menschen mit Demenz
- Menschen, die wenig Erfahrung mit der deutschen Sprache haben
- Menschen mit kognitiven Einschränkungen
Indem Du Texte in Leichter Sprache verfasst, unterstützt Du all diese Menschen. So können sie sich besser informieren, sich äußern und durch den Informationsaustausch in unsere Gesellschaft integriert werden.
Unterscheide zwischen Leichte Sprache und Einfache Sprache
Ignorieren wir einmal unsere Standardsprache, auch Alltagssprache oder “Schwere Sprache” genannt. Dann gibt es neben der Leichten Sprache noch eine weitere Sprachvariante. Sie wird “Einfache Sprache” genannt. Leichte Sprache und Einfache Sprache werden oft synonym verwendet. Das ist allerdings falsch, denn sie verfolgen unterschiedliche Ansätze.
Leichte Sprache richtet sich in erster Linie an Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung. Im Gegensatz dazu ist Einfache Sprache auch für Personen mit Leseschwäche, Nicht-Muttersprachler oder Menschen mit eingeschränkten Lese- und Schreibfähigkeiten verständlich.
Leichte Sprache folgt klar definierten Regeln oder sagen wir Empfehlungen, Einfache Sprache hingegen verzichtet auf feste Regeln und Vorgaben. Einfache Sprache ist insgesamt komplexer und schwerer zugänglich als Leichte Sprache. Die Leichte Sprache hat den geringsten Schwierigkeitsgrad aller Sprachvarianten. Deshalb eignet sich die Leichte Sprache eben auch für all jene Menschen, die bereits mit der Einfachen Sprache in die Kommunikation einsteigen können.
Ein Beispiel für Leichte Sprache im Vergleich
Du wirst im Web viele vergleichende Beispiele von Standardsprache versus Leichte Sprache finden. Besonders empfehlen möchte ich Dir dafür die Link-Tipps am Ende des Beitrags. Damit Du aber einen konkreten Eindruck erhältst, findest Du nachfolgend auch einen Sprachvergleich.
- Standardsprache: Das Wetter zeigt sich heute von seiner wechselhaften Seite. Während am Morgen noch Sonnenschein dominiert, ziehen ab dem Nachmittag dichte Wolken auf, die Regen mit sich bringen könnten. Temperaturen liegen zwischen 15 und 20 Grad.
- Einfache Sprache: Heute ist das Wetter wechselhaft. Am Morgen scheint die Sonne. Am Nachmittag kommen Wolken. Es kann regnen. Es wird 15 bis 20 Grad warm.
- Leichte Sprache:
Das Wetter ändert sich heute oft.
Am Morgen ist Sonne. Am Nachmittag gibt es Wolken.
Es kann Regen geben.
Es ist 15 bis 20 Grad warm.
Die Leichte Sprache reduziert sich immer auf klare, einzelne Aussagen und leicht verständliche Wörter. Worauf genau zu achten ist, zeige ich Dir anhand der folgenden Regen.
Die wichtigsten Regeln für Leichte Sprache
Für die Erstellung von Texten in Leichter Sprache gibt es klare Standards, die eingehalten werden sollten. In jedem Fall solltest Du Deine Texte auch immer von der Zielgruppe prüfen lassen: Menschen mit Lernschwierigkeiten entscheiden, ob der Text leicht genug ist. Du und ich können das nur theoretisch gewährleisten. Auch muss Dir bewusst sein, dass die Komplexität selbst innerhalb der Zielgruppe unterschiedlich bewertet werden würde. Leichte Sprache ist etwas sehr individuelles, jeder Mensch beurteilt den Schwierigkeitsgrad anders. Achte aber bitte trotzdem immer auf die Einhaltung der folgenden Regeln:
Regeln für Wörter
- Einfache Wörter verwenden: Keine Fremdwörter oder Fachbegriffe (wenn nötig: erklären).
- Kurze Wörter bevorzugen: Beispiel „Auto“ statt „Fahrzeug“.
- Immer gleiche Wörter verwenden: Für gleiche Dinge nicht unterschiedliche Begriffe nutzen.
- Keine Abkürzungen, mit Ausnahmen: bekannte Abkürzungen wie „WC“ oder „ICE“.
- Positive Sprache verwenden: Beispiel „Peter steht“ statt „Peter sitzt nicht“.
- Redewendungen vermeiden: Beispiel „Das ist ein Kinderspiel“ besser weglassen.
Regeln für Sätze
- Kurze Sätze schreiben: Pro Satz nur eine Aussage.
- Einfache Satzstruktur nutzen: Subjekt – Prädikat – Objekt. Beispiel: „Anna liest ein Buch.“
- Keine Nebensätze: Beispiel „Ich kaufe ein Buch. Danach lese ich es.“ statt „Ich lese das Buch, das ich gekauft habe.“
- Keinen Genitiv verwenden: Beispiel „Das Haus von Anna“ statt „Annas Haus“.
- Keinen Konjunktiv nutzen: Beispiel „Vielleicht regnet es morgen“ statt „Es könnte morgen regnen.“
- Verkürzte Sätze erlauben: Sätze mit „Und“, „Aber“, „Oder“ beginnen.
Regeln für Zahlen und Zeichen
- Zahlen klar und einfach schreiben: Beispiel „5 Frauen“ statt „Fünf Frauen“.
- Hohe Zahlen vermeiden: Beispiel „Viele Menschen“ statt „14.795 Menschen“.
- Sonderzeichen vermeiden: Ausnahme: erklärtes Zeichen wie „§“.
- Daten klar schreiben: Beispiel „3. März 2024“ statt „03.03.24“.
- Telefonnummern mit Leerzeichen schreiben: Beispiel „0 30 12 34 56“.
Regeln für den Textaufbau
- Leser direkt ansprechen: Mit „Sie“ oder „Du“, je nach Zielgruppe.
- Keine Fragen im Text: Statt Fragen klare Aussagen formulieren.
- Keine Verweise: Beispiel: Statt „siehe Seite 10“, die Information direkt im Text nennen.
- Texte anpassen, aber Sinn bewahren: Reihenfolge ändern, Beispiele hinzufügen, unklare Teile weglassen.
Gestaltungsregeln
- Serifenlose Schriftart nutzen: Beispiel: Arial, Verdana, Tahoma.
- Große Schrift verwenden: Mindestens 14 Punkte
- Ausreichender Zeilenabstand: 1,5-fach.
- Links bündig schreiben: Kein Blocksatz, keine Zentrierung (außer Überschriften).
- Keine Worttrennung: Wörter nicht am Zeilenende trennen.
- Neuer Satz beginnt auf neuer Seite: Keine Unterbrechung durch Seitenumbrüche.
- Texte durch Überschriften und Absätze gliedern: Inhalte übersichtlich präsentieren.
- Wichtige Informationen hervorheben: Aufzählungspunkte, fettgedruckte Wörter oder Rahmen nutzen.
- Bilder passend und scharf: Bilder müssen gut erkennbar sein und zum Text passen.
Wer sorgt für die Umsetzung der Regeln?
In der Theorie kann Jeder Texte in Leichter Sprache schreiben, sie also umsetzen und einhalten. In der Praxis ist es jedoch hilfreich, wenn Du auf Fachkräfte zurückgreifst. An dieser Stelle kann Dir Deine Suchmaschine weiterhelfen. Eine Empfehlung benötigst Du an dieser Stelle von mir nicht.
Nennen möchte ich Dir an dieser Stelle aber trotzdem noch die politischen Verantwortlichen. Das ist einmal die bereits erwähnte “Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention“ der Bundesregierung sowie die Gleichstellungsbeauftragten der Bundesländer.
Siegel für Leichte Sprache
Bislang sind mir Siegel für Leichte Sprache nur sehr selten begegnet und wenn, dann auf Nischenseiten, die sich gezielt mit dem Thema Sprache beziehungsweise Leichte Sprache beschäftigen. Aber es gibt Siegel, tatsächlich sogar gleich zwei, die ich hier auch nennen möchte.
Qualitätssiegel von Inclusion Europe
Das Europäische Logo für Einfaches Lesen ist seit vielen Jahren im Einsatz, weit verbreitet und bekannt. Das Logo sowie die dazugehörigen Richtlinien sind für mehrere europäische Sprachen verfügbar.
Jeder hat die Möglichkeit, das Logo kostenlos zu verwenden, sofern der Text gemäß den europäischen Standards für leicht verständliche Informationen verfasst wurde- Der Text muss vorher auch von mindestens einer Person mit Lernschwierigkeiten Korrektur gelesen werden. Die Namen der Korrekturlesenden sollten in der jeweiligen Publikation aufgeführt werden. Die Details zum Siegel solltest Du aber unbedingt auf deren Webauftritt nachlesen.
Qualitätssiegel des Netzwerks Leichte Sprache
Das Siegel „Gute Leichte Sprache“ wird seit 2016 vom Netzwerk Leichte Sprache e.V. vergeben. Dieses Qualitätssiegel umfasst nicht nur sprachliche und inhaltliche Qualitätskontrollen, sondern beinhaltet auch eine sorgfältige Überprüfung des Layouts von Broschüren sowie der Darstellung im Internet. Ziel ist es, die Lesbarkeit und Verständlichkeit des Endprodukts zu maximieren.
Das Siegel ist ausschließlich für Mitglieder des Netzwerks Leichte Sprache e.V. erhältlich. Diese Mitglieder müssen sowohl eine geeignete Qualifikation als auch mehrjährige Erfahrung in der Erstellung von Texten in Leichter Sprache nachweisen. Auch hier meine Bitte an Dich, die Voraussetzungen für dieses Siegel direkt beim Verein nachzulesen.
Herausforderungen und Kritik an Leichter Sprache
Neben den zahlreichen Vorteilen bringt die Verwendung von Leichter Sprache auch einige Herausforderungen mit sich. Dazu gehören:
- Verlust von Nuancen: Einige Menschen befürchten, dass durch die Vereinfachung der Sprache bestimmte Feinheiten und Bedeutungsnuancen verloren gehen können.
- Anpassung an unterschiedliche Zielgruppen: Nicht alle Informationen lassen sich leicht vereinfachen, insbesondere in technischen oder hoch spezialisierten Fachgebieten.
- Stigmatisierung: Einige Menschen könnten Leichte Sprache als herablassend empfinden oder befürchten, dass sie dadurch in eine bestimmte Schublade gesteckt werden.
- Menschen sind unterschiedlich: Nicht jeder Mensch, der auf Leichte Sprache angewiesen ist, nimmt einen Text in Leichter Sprache gleich war. Komplexität von Sprache ist etwas sehr individuelles und lässt sich nicht verallgemeinern.
Auf Leichte Sprache bin ich zwar nicht angewiesen, habe aber Menschen in meinem Umfeld, die diese nutzen (müssen). Wir haben die gleiche Meinung und wir hoffen, dass Du diese teilst: Einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu haben löst vielleicht nicht alle Probleme. Aber es ist immer noch ein sehr guter Schritt in die richtige weil barrierefreie und damit inklusive Zukunft.
Nützliche Ressourcen und weiterführende Literatur
Zum Schluss möchte ich Dir noch einige nützliche Infos an die Hand geben. Die Liste wird regelmäßig angepasst und aus Gründen des fairen Wettbewerbs findest Du hier auch ausschließlich Angebote, die zum Zeitpunkt der Texterstellung kostenlos sind. Du solltest diese Liste daher auch nur als Anstoß zur weiteren Recherche und ausdrücklich nicht als exklusive Empfehlung verstehen.
Weiterbildung
- Lernplattform: Aktion Mensch bietet einen kostenlosen E-Learning-Kurs für Einfache Sprache
- Buch: “Leichte Sprache: Das Regelbuch“ von Christiane Maaß
- YouTube: Videoreihe des DIN e.V. Berlin zur DIN SPEC 33429
Nachrichten
- Deutschlandfunk: Eine ganze Website voller Nachrichten in Leichter Sprache vom Deutschlandfunk unter nachrichtenleicht.de
- NDR: Der NDR bietet, wie einige andere Anbieter auch, Nachrichten in einer Leichte Sprache Version.
- Klatschpresse: Mit einfachstars.info gibt es ein Angebot, das leichte Themen in Leichter Sprache anbietet.
Regelwerke
- PDF in Leichter Sprache: Entwurf der DIN SPEC 33429 Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache
- PDF in Standardsprache: DIN Media kostenloser Download DIN SPEC 33429
- Netzwerk Leichte Sprache: Die Regeln für Leichte Sprache
Test-Tools für Leichte Sprache
- Sächsischen Staats-Ministerium für Soziales: Test-Tool zur Prüfung auf Leichte Sprache
- Psychometrica: Lesebarkeitsindex (LIX) online berechnen
- LanguageTool.org: Text umschreiben mit künstlicher Intelligenz