Die digitale Welt soll allen Menschen zugänglich sein. Nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ hat Deutschland dafür zwei überwachende Institutionen eingerichtet, die Schlichtungsstelle und die Marktüberwachungsstelle. Für wen und für was welche Institution zuständig ist, erfährst Du in diesem Blogbeitrag. Los geht’s!
Die Schlichtungsstelle (§ 16 BGG)
Aufgabe und Rechtsgrundlage
Die Schlichtungsstelle ist beim Bundesbehindertenbeauftragten angesiedelt und dient als kostenfreie, außergerichtliche Vermittlungseinrichtung. Ihre Rechtsgrundlagen sind das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in Verbindung mit der BITV 2.0.
Seit spätestens September 2020 sind alle Websites, Apps und elektronisch unterstützten Verwaltungsverfahren der öffentlichen Stellen dazu verpflichtet, barrierefrei gestaltet zu sein.
Wenn Du eine Barriere auf einer solchen Seite entdeckst, kannst Du als Person mit Behinderung (oder ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband) kostenlos eine Schlichtungsanfrage stellen. Das ist der zwingende erste Schritt vor einer möglichen Verbandsklage.
Diese Schlichtungsanfragen sind deshalb so wichtig, weil die Schlichtungsstelle nur reaktiv, also auf Anfrage tätig wird.
Ablauf des Schlichtungsverfahrens
- Antragstellung: Du musst Deine Schlichtungsanfrage innerhalb von zwei Monaten einreichen, nachdem Du den Mangel entdeckt hast. Dazu füllst Du ein Formular aus und legst am besten Belege wie Screenshots bei, um die Barriere genau zu dokumentieren.
- Prüfung durch die Schlichtenden: Eine unabhängige Fachperson bewertet den Antrag und lädt beide Parteien zu einem Vermittlungsgespräch ein. Ziel ist, innerhalb weniger Wochen eine gütliche Einigung zu erzielen.
- Vereinbarung oder Scheitern:
- Vereinbarung: Wenn sich Behörde und Beschwerdeführende verständigen, legt man verbindlich fest, in welchem Zeitraum (meist sechs Monate) die Barriere beseitigt wird.
- Scheitern: Klappt die Vermittlung nicht, bleibt Dir (oder Deinem Verband) der Weg zur Verbandsklage.
Die Marktüberwachungsstelle (§ 20 BFSG)
Aufgabenbereich und Entstehung
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), werden seit dem 28. Juni 2025 erstmals Unternehmer verpflichtet, ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten.
Um die Einhaltung dieser Vorgaben zu überwachen, errichten die Bundesländer eine zentrale „Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF)“, die ihren Sitz in Magdeburg hat.
Die Marktüberwachungsbehörde hat allerdings nicht nur eine Kontroll-, sondern auch eine Beratungsfunktion für Unternehmen.
Wer kann Beschwerden einreichen?
- Du als Privatperson: Wenn Du im Alltag ein digitales Angebot nutzt, bei dem Du eine Barriere entdeckst, darfst Du eine Beschwerde einreichen.
- Anerkannte Verbände und Einrichtungen können Verstöße melden, insbesondere wenn sie für mehrere Betroffene agieren. Nach einer Beschwerde können sie eine Schlichtung einleiten oder – falls erforderlich – eine Verbandsklage anstreben.
- Wettbewerber: Du bist selbst Anbieter und stellst fest, dass ein anderer Anbieter seine digitalen Angebote nicht barrierefrei gestaltet? Ein formelles Beschwerderecht über die Marktüberwachungsstelle hast Du nicht. In diesem Fall bleibt Dir aber der Weg über das Wettbewerbsrecht (Abmahnung oder Klage nach dem UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).
Proaktives Vorgehen und Sanktionen
Die Marktüberwachungsstelle arbeitet reaktiv und proaktiv gleichermaßen:
- Eigenständige Prüfungen (proaktiv): Sachverständige prüfen stichprobenhaft.
- Reklamationsverfahren (reaktiv): Jede eingehende Beschwerde führt zur Eröffnung einer Prüfakte.
Fazit und Abschluss
Wir hoffen, Dir damit kurz und knapp geholfen zu haben. Solltest Du Fragen oder Anregungen haben, lass uns das sehr gerne wissen!