Heute möchte ich Dir eine spannende Studie zur digitalen Barrierefreiheit vorstellen. Die internationale Accessibility-Studie ging der Frage nach, wie der Status quo von Unternehmens-Websites im Juli 2024 mit Blick auf die digitale Barrierefreiheit aussieht. Neben dem Status quo ging es auch um die für Unternehmen wichtige Frage, wie sich digitale Barrierefreiheit auf Kundenbeziehungen, Umsatz und SEO auswirkt. Los geht’s!
Studiendesign und Studienziel
Das Ziel der Capterra-Studie war es, den Grad der Umsetzung digitaler Barrierefreiheit auf Unternehmenswebsites zu erfassen und zu verstehen. Die Untersuchung beleuchtete technische, organisatorische und finanzielle Maßnahmen sowie deren Auswirkungen auf Kundenzufriedenheit, Umsatz, SEO und Social Media.
Dafür wurden in dieser internationalen Studie insgesamt 2.748 Mitarbeitende, Inhaber und Führungskräfte aus 11 Ländern und unterschiedlichen Branchen befragt.
Neben Deutschland wurden die Untersuchungen in den USA, Kanada, Brasilien, Mexiko, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Australien und Japan durchgeführt.
Rechtlicher Rahmen und gesellschaftliche Relevanz
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Websites und Online-Shops so gestaltet sind, dass alle Menschen, inklusive Menschen mit Behinderungen (z. B. Seh- oder Hörbeeinträchtigungen) und ältere Menschen, die gleichen Chancen haben, Inhalte zu nutzen, Produkte zu erwerben oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Dafür gibt es internationale und nationale Barrierefreiheitsgesetze, Normen und Standards. Darunter fallen die internationale technische Richtlinie Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), der European Accessibility Act (EAA, oder auch EU-Richtlinie 2019/882) sowie das deutsche Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG).
Status quo und Umsetzungspläne der Unternehmen
- Priorisierung:
- 80 % der Unternehmen haben der digitalen Barrierefreiheit eine hohe oder sehr hohe Priorität eingeräumt.
- 73 % der Unternehmen planen, ihre Investitionen in die digitale Barrierefreiheit in den nächsten 12 Monaten zu erhöhen.
- Selbsteinschätzung:
- 56 % der Befragten bewerten ihre Website als „etwas barrierefrei“.
- 24 % bezeichnen sie als „sehr barrierefrei“.
- 20 % der Websites werden als „überhaupt nicht barrierefrei“ eingestuft.
- Make or buy:
- 37 % der Unternehmen lagern die Implementierung von Barrierefreiheitsfunktionen an Drittanbieter oder Berater aus.
- 32 % setzen diese Maßnahmen intern um.
- 29 % verwenden eine Kombination aus internen und externen Ressourcen.
Umgesetzte Funktionen auf deutschen Websites
Die Capterra-Studie zeigt spezifische Maßnahmen auf, die bereits implementiert wurden:
- Größe von Text ändern, zoomen oder Text hervorheben: 50 % der Unternehmen bieten diese Funktion an.
- Videountertitel und Transkripte: Diese Funktion wird von 49 % der Unternehmen bereitgestellt.
- Kompatibilität mit Bildschirmlesegeräten: 40 % der Websites sind für Hilfsprogramme optimiert.
- Beschreibende Links: 40 % der Unternehmen versehen Links mit erklärenden Texten.
- Tastaturnavigation: 40 % der Unternehmen ermöglichen die vollständige Navigation per Tastatur.
- Anpassung von Farbe und Sättigung: 39 % der Unternehmen bieten barrierefreie Farben bzw. Farbkontraste an.
- Text-to-Speech-Funktionen: 42 % der Unternehmen nutzen diese Technologie.
- Alt-Text für Bilder: 32 % der Unternehmen implementieren Alt-Texte für Bilder.
- Entfernung von blinkenden Elementen: 32 % der Firmen verzichten auf blinkende Elemente.
Vorbereitung auf den European Accessibility Act (EAA)
- 36 % der Websites haben alle notwendigen Maßnahmen umgesetzt, um am Stichtag (28. Juni 2025) EAA-konform zu sein.
- 42 % haben einen Umsetzungsplan, der aber bisher nicht vollständig realisiert ist.
- 14 % der Unternehmen haben noch keine Pläne zur Umsetzung des Gesetzes.
Vorteile der digitalen Barrierefreiheit
Wirtschaftliche Vorteile
- Umsatzsteigerung: 38 % der Unternehmen berichten von gesteigerten Umsätzen oder verbesserten Konversionsraten nach der Implementierung barrierefreier Funktionen.
- Kosteneinsparungen: 28 % der Unternehmen konnten durch die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit erhebliche Kosten einsparen. Beispiele hierfür sind das Vermeiden rechtlicher Auseinandersetzungen und die Reduktion von Anfragen im Kundensupport.
Kundenbeziehungen und Außendarstellung
- Kundenverlust: 74 % der Befragten glauben, dass ihre Unternehmen bereits Kunden verloren haben, weil barrierefreie Funktionen auf der Website fehlten.
- Kundenbindung: 53 % der Befragten sehen eine höhere Kundenbindung durch barrierefreie Websites.
- Erweiterung der Zielgruppe: 39 % der Unternehmen berichten von einer verbesserten SEO-Leistung und mehr Kundenreichweite.
- Positives Markenimage: Unternehmen, die Barrierefreiheit umsetzen, werden als sozial verantwortlich wahrgenommen.
Synergieeffekte
- SEO-Vorteile: 39 % der Unternehmen, die barrierefreie Funktionen implementiert haben, berichten von verbesserten SEO-Leistungen.
- Nachhaltigkeit: Nachhaltige Websites reduzieren den Energieverbrauch und die Ressourcenbelastung und gehen oft Hand in Hand mit barrierefreien Gestaltungen.
Erfolgsmessung der Barrierefreiheit
Laut der Studie messen Unternehmen den Erfolg ihrer Barrierefreiheits-Maßnahmen anhand von vier zentralen Kennzahlen:
- Kundenfeedback: 56 % der Unternehmen erfassen den Erfolg durch Umfragen auf der Website, per E-Mail oder über Social Media.
- Website-Performance: Analyse von Seitenaufrufen, eindeutigen Besuchern, Absprungraten, Verweildauer und Nutzerpfaden mithilfe von Heatmaps.
- Vertriebsleistung und finanzieller Erfolg: Vergleich von Umsatzdaten vor und nach der Implementierung, sowie Konversions- und Kundenbindungsraten.
- Leistung des Kundensupports: Erfassung der Anzahl und Bearbeitungszeiten von Supportanfragen zu Barrierefreiheitsfragen.
Technologische Unterstützung für weniger Barrieren
54 % der Unternehmen nutzen KI zur Verbesserung der Barrierefreiheit, wie zum Beispiel:
- Sprachassistenten (Natural Language Processing): Diese Technologien verstehen Nutzeranfragen und geben Inhalte wieder.
- Automatische Untertitelung: Erstellung von Untertiteln für Videos, die gehörlosen oder schwerhörigen Nutzern zugutekommen.
- Objekt- und Szenenerkennung: KI erkennt Objekte und Szenen in Bildern und generiert detaillierte Bildbeschreibungen.
- Zusammenfassung von Inhalten: Algorithmen fassen lange Texte zusammen, ohne den Kerninhalt zu verlieren.
- Bewegungsanalyse: Analyse von Nutzerbewegungen zur Anpassung der Benutzeroberfläche.
Neben KI werden Content-Management-Systeme (CMS), Website-Builder und spezielle Tools zur Überprüfung des Codes auf Barrierefreiheitsfehler eingesetzt.
Herausforderungen bei der Umsetzung digitaler Barrierefreiheit
- Technische Komplexität: Die umfangreichen WCAG-Richtlinien beinhalten zahlreiche technische Anforderungen. Besonders schwierig ist die Umsetzung bei bestehenden Websites, die auf veralteten Technologien basieren.
- Mangelndes Bewusstsein: Viele Mitarbeitende sind sich der Auswirkungen von Behinderungen auf die Nutzung digitaler Produkte nicht bewusst. Der tatsächliche Anteil und das Kaufverhalten von Menschen mit Behinderungen werden häufig unterschätzt.
- Schwierigkeiten, den Mehrwert darzustellen: Vorteile wie ein verbessertes Markenimage oder eine gesteigerte Kundenbindung sind oft erst langfristig sichtbar und nicht sofort in monetären Kennzahlen messbar. Dadurch erscheinen die benötigten Investitionen manchmal als zu hoch, obwohl diese Maßnahmen sich langfristig auszahlen.
Unser Studienfazit
Das ist unserer Meinung nach eine Studie, deren Ergebnisse sich alle Website-Verantwortliche genau ansehen sollten. Denn sie zeigt, dass digitale Barrierefreiheit für Unternehmen sowohl eine rechtliche und ethische Notwendigkeit als auch eine kluge wirtschaftliche Investition ist.
Trotz technischer Herausforderungen, mangelndem Bewusstsein und der Schwierigkeit, den langfristigen Mehrwert sofort zu beziffern, profitieren Unternehmen durch zahlreiche andere Faktoren. Die Gesamtbilanz einer barrierefreien Website bleibt für uns, ganz unabhängig von der rechtlichen Verpflichtung, absolut positiv.
Worauf wartest Du also noch? Baue die Barrieren Deiner Website sukzessive ab. Falls Du dabei Hilfe brauchst oder Fragen hast, melde Dich gerne bei uns!