Die digitale Welt entwickelt sich ständig weiter und bietet unzählige neue Möglichkeiten, das Leben zu vereinfachen. Doch wie sieht es für Menschen mit Sehbehinderung aus? Wie genau nutzen Blinde eine Website? In diesem Artikel beantworten wir diese Fragen. Los geht’s.
Abseits der Theorie, für mehr Empathie
Die Pflicht zur barrierefreien Website steht vor der Tür, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt Ende Juni 2025 in Kraft. Das wissen mittlerweile vermutlich alle Website-Verantwortliche und deshalb beschäftigen wir uns aktuell viel mit der Theorie rund um WCAG 2.2, European Accessibility Act und BIT 2.0.
Die Praxis, die Betrachtung des digitalen Lebens von Menschen mit Sehbehinderung, kommt mir dabei oft zu kurz. Deshalb möchte ich in diesem Beitrag nicht nur informieren, sondern auch zur weiteren Vertiefung anregen.
Technische Hilfsmittel zum Surfen für Blinde
Screenreader
Ein Screenreader verwandelt Text in synthetische Sprache und liest diesen vor. Dabei werden sowohl Texte wie dieser hier, E-Mail und auch klickbare Interface-Elemente wie Menüs, Schaltflächen und Links berücksichtigt.
Zu den wohl bekanntesten Screenreadern gehören JAWS und NVDA. Diese Tools erkennen und analysieren unter anderem den HTML-Code von Webseiten und stellen diesen in einer für Blinde verständlichen Art und Weise dar. Daneben bieten sie auch eine Vielzahl weiterer Funktionen, die den Nutzenden helfen, effizient und zielgerichtet durch digitale Inhalte zu navigieren.
Zum Beispiel kann ein Nutzer sich den gesamten Text einer Webseite vorlesen lassen oder gezielt durch Überschriften, Absätze und Links navigieren. Ebenfalls können Screenreader zusätzliche Informationen wie die Position des Fokus auf der Seite oder die verfügbaren Interaktionsmöglichkeiten angeben.
Braillezeilen
Braillezeilen beispielsweise sind Geräte, die Text in Blindenschrift (Braille) darstellen. Sie bestehen aus stiftartigen Elementen, die sich heben und senken, um Buchstaben und Zahlen darzustellen.
Solche Geräte ermöglichen es Blinden, auch ohne Audio-Ausgabe am Computer zu arbeiten und eignen sich besonders für stille Umgebungen oder für Situationen, in denen die akustische Ausgabe nicht gewünscht ist.
Integrative Softwarelösungen
VoiceOver (Apple), TalkBack (Android) und Narrator (Windows) sind integrierte Screenreader-Funktionen, die Menschen mit Sehbehinderung eine barrierefreie Bedienung der Endgeräte ermöglichen.
Alle drei Systeme lesen Bildschirminhalte mithilfe von synthetischen Stimmen vor und reagieren auf spezielle Gesten oder Tastenkombinationen. So kannst Du Benutzeroberflächen navigieren und Einstellungen anpassen.
Zudem lassen sich die Stimme, Geschwindigkeit und weitere Parameter individuell konfigurieren, um Dir die Nutzung Deiner Geräte so angenehm wie möglich zu gestalten.
Website-Anforderungen von Menschen mit Sehbehinderung
Neben der Zugänglichkeit für Screenreader sind gerade für Menschen mit einer Sehbehinderung barrierefreie Farben und Farbkontraste wichtig.
Deine Website sollte außerdem klar strukturiert sein. Benutze daher gerne kurze Absätze und Sätze, Aufzählungen und Fettungen. Das darf gerne schon in Richtung „Einfache Sprache“ oder sogar „Leichte Sprache“ gehen.
Die klare Struktur betrifft aber auch die übergeordnete Website-Struktur. Dazu gehören Themen wie eine verständliche Navigation. Daneben sollte die Website mit der Tastatur bedienbar sein und über Sprungmarken verfügen. Sprungmarken sind ideal für Screenreader, da dadurch ganze Inhaltsbereiche in Sekunden übersprungen und nicht angehört werden müssen.
Ebenfalls ein strukturelles Thema ist die Benennung von Buttons, Formulare und Links. Eine identische Funktion muss auch immer identisch benannt und selbsterklärend sein.
Vermeide falsches Navigieren ebenso wie überflüssiges Navigieren. Versuche Zeit zu sparen und Frustration zu verringern.
Idealerweise ermöglicht Deine Website sogar, Schriftgrößen und Farben individuell anzupassen, zum Beispiel für einen hohen Kontrastwert. Diese Funktionen werden in der Regel mittlerweile von den gängigen Browsern unterstützt. Achte darauf, dass Deine Website diese Funktion nicht unterdrückt.
Das Thema „Alt-Texte für Bilder“ ist Dir vielleicht schon bekannt. Das sind die Texte, die von Screenreadern vorgelesen werden. Achte deshalb darauf, dass Deine Bilder mit einem aussagekräftigen Alt-Attribut ausgestattet sind.
Fazit und Empfehlungen
Ich möchte Dich ermutigen, Dich stärker mit dem Thema zu befassen. Ein niederschwelliges Angebot dafür gibt es auf YouTube. Schau dort Menschen mit Sehbehinderung über die Schulter. Auch ich habe so angefangen. Es wird schnell klar, wie anstrengend das Surfen im Jahr 2024 für Blinde noch immer ist. Zwei gute und aktuelle Videos auf Deutsch:
- YouTube-Kanal von Blind Hero: Wie arbeiten Blinde am Laptop?
- Aces4, ask the expert: Inclusive eCommerce – worauf es aus Nutzersicht ankommt
Wie immer freue ich mich über Deine Fragen, Kritik und Anregungen. Denn nur gemeinsam können wir eine inklusive digitale Welt schaffen, in der niemand zurückgelassen wird.